Freunde des barrierefreien Lesens

Brailleschrift gleich Punktschrift gleich Blindenschrift

Diese bekannte Punktschrift für Blinde wurde 1825 von dem Franzosen Louis Braille erfunden und ist, heute 190 Jahre später, die erfolgreichste und effektivste Blindenschrift der Welt. Zum Lesen nutzen Blinde den Tastsinn der Finger. Die Zeichen der Brailleschrift bestehen nur aus Punkten, da Blinde mit den Fingern erhabene Punkte viel besser unterscheiden können als andere reliefartige geometrische Formen.

Louis Braille, selbst seit dem 3. Lebensjahr blind, experimentierte lang bis er die Lösung fand: Eine Anordnung von 6 Punkten in zwei Reihen nebeneinander war gerade noch mit einem Finger zu erfassen und konnte doch in unterschiedlichen Formatierungen das gesamte Alphabet aufnehmen.

Grundlagen

Das Grundzeichen für die einzelnen Buchstaben für Blinde besteht aus 6 Punkten und wird manchmal auch als Orientierungszeichen verwendet, die einzelnen Punkte eines Braillezeichens (Buchstaben für Blinde, Blinden-Buchstaben) werden nach folgendem Schema nummeriert:

Punkt 1 Punkt 4 obere Zeile    
Punkt 2 Punkt 5 mittlere Zeile    
Punkt 3 Punkt 6 untere Zeile    

Die Anzahl möglicher Zeichen beträgt 2 hoch 6 gleich 64, ohne Leerzeichen also 63. Nicht alle Punktekombinationen sind alleinstehend sinnvoll, da die Schrift im Gegensatz zur Schwarzschrift mit den Fingern gelesen wird. Ein Braillezeichen mit seinen maximal sechs Punkten wird als Form bezeichnet. Die Größe der tastbaren Braillezeichen beträgt immer 6 bis 7 mm – es gibt somit keine unterschiedlichen Schriftgrößen in der Brailleschrift. Durch die taktile Mindestgröße der Zeichen und der Notwendigkeit, dickeres Papier einzusetzen, sind Schriftstücke und Bücher um ein Vielfaches größer und schwerer als vergleichbare Ausgaben in Schwarzschrift.

Es gibt nur Kleinbuchstaben. Soll ein Buchstabe als Großbuchstabe gekennzeichnet werden, so wird ein Zeichen davor gesetzt, ein anderes Zeichen markiert ein Wort, welches nur aus Großbuchstaben besteht.

Auf Grund der begrenzten Zeichenanzahl erfolgt die Darstellung von Zahlen durch Buchstaben. Dabei entsprechen den Ziffern von »1« bis »0« die Buchstaben »a« bis »j«. Zahlen werden mit dem Zahlenzeichen  begonnen, mit Punkten gruppiert und mit einem Leerzeichen oder einem Buchstaben ab »k« beendet.  Sollte vor dem nächsten Leerzeichen noch ein Buchstabe von »a« bis »j« oder ein herabgesetzter Buchstabe (Ordnungszahl) folgen, so beendet das Zeichen  die Bedeutung Zahl. Für Ordnungszahlen und Brüche werden die Punkte der Ziffern herabgesetzt (entspricht einigen Satzzeichen).

In der Brailleschrift sind etliche Satz- und Sonderzeichen mehrfach belegt, wie das Ausrufezeichen und das Plus. Andere verändern in Kombination mit Buchstaben deren Bedeutung, wie Dollar, Größer-als, Apostroph, Punkt usw. Die jeweilige Bedeutung ist stets abhängig vom Kontext der Anwendung.

Anwendungen

In der deutschen Brailleschrift werden vier Kürzungsgrade unterschieden:

  1. Basisschrift: In der Regel entspricht jeder Buchstabe der Schwarzschrift einem Braillezeichen. Es gibt nur Kleinbuchstaben, Zahlen werden durch Buchstaben mit vorangestelltem Zahlenzeichen dargestellt.
  2. Vollschrift: Buchstabengruppen für deutsche Laute (ch, sch, ie, ei, au, …) werden durch eigene Braillezeichen ersetzt.
  3. Kurzschrift: Anwendung umfangreicher Kürzungsregeln für Buchstabengruppen, um die Wörter kürzer zu schreiben, sowie Nutzung von ein- und mehrformigen Abkürzungen (Verzeichnis). Der Text kann so um weitere 30 bis 40 % zur Vollschrift verkürzt werden.
  4. Stenοgrafie: Kompliziertes Regelwerk zur Verkürzung von Wörtern, Redewendungen und ganzen Sätzen, um gesprochene Sprache mitschreiben zu können. Es wird mit spezieller Technik (Streifenschreiber) geschrieben und manchmal auch ein 7– bzw. 8-Punkt-System benutzt.

Ungefähr 80% – 85% der literarischen Werke sind bzw. werden in Kurzschrift gedruckt, weshalb auf das Erlernen der Kurzschrift nicht verzichtet werden kann. Erfahrene Braille-Leser können so bis etwa 100 Wörter pro Minute lesen. Zum Vergleich: sehende Leser schaffen etwa 250 bis 300 Wörter pro Minute.

Da die Braille-Schrift seit über 180 Jahren weltweit benutzt wird, wurde sie regelmäßig weiter entwickelt. Für den deutschsprachigen Raum ist die Brailleschrift-Kommission der deutschsprachigen Länder und deren Brailleschriftkomitee für die Herausgabe von Standards zur Rechtschreibung und den Kürzungsregeln zuständig.